Werde ich das, was ich sehe verarbeiten können ?
Nach wenigen Stunden Schlaf geht es los zum Flughafen.
Erst einmal geht es nach Lviv, dort soll ich aus dem etwa 3 Stunden entfernten Sdolbuniv von Tatjana abgeholt werden.
Zu meiner Erleichterung finden wir uns schnell am Flughafen und noch besser, Tatjana spricht ein wenig deutsch, so wird die lange fahrt doch wesentlich angenehmer.
Wir lachen viel auf der fahrt und sie besteht darauf mich unterwegs zum Essen ein zu laden.
Wir sprechen über die Tiere in der Ukraine und sie erzählt mir , von ihrem Sohn Dima.
Dima ist krank und wartet auf eine Spender Niere, die kosten für diese Operation, muss die Familie selbst tragen.
So etwas wie eine Krankenversicherung gibt es nicht.
Mir war bewusst das es die Menschen hier nicht leicht haben, aber über eine solche Erkrankung, habe ich nie nach gedacht, auch nicht darüber, was es für eine Familie heißt, ein krankes Kind zu haben und sich die Lebensnotwendige Operation nicht leisten zu können.
Dennoch setzt sich diese Frau ins Auto und fährt 6 Stunden um eine völlig fremde am Flughafen ab zu holen um den Tieren zu helfen.
In Sdolbuniv angekommen, begrüßen mich unsere Volontärin Yulia und ihre Eltern Tanya und Yura.
Tanya und Yura lassen mich bei sich wohnen. Trotz des wenigen Raums, habe ich ein kleines Zimmer, in dem liebevoll, Hausschuhe, Handtücher und Bademantel bereit gelegt wurden.
Meine bedenken bei fremden zu wohnen, mit denen ich mich nicht verständigen kann, legen sich etwas.
Tanya hat essen gekocht und ich kann schon einmal voraus greifen, verhungert bin ich definitiv nicht ! Auch sonst waren die beiden immer besorgt , das es mir an etwas fehlen könnte und meine Haare wurden immer nach dem Duschen überprüft, ob ich sie auch geföhnt habe, was Tanya grundsätzlich ein lächeln und ein Kopfschütteln abgerungen hat, denn ich hasse es , meine Haare zu föhnen.
Die ersten Tage war wenig Zeit um an zu kommen, Termine mit dem Bürgermeister und Stadt Parlament standen an, auch einige humanitäre Organisationen haben mich eingeladen, sowie das Kinder Krankenhaus in Rivne.
Auf diese Besuche, möchte ich gerne im nächsten Beitrag eingehen, es wäre zu viel an Erlebnissen.
Immer wenn ich ein wenig Zeit hatte, stromerte ich durch Sdolbuniv.
Die Tiere die mir begegnet sind, sahen überraschend gut aus, zumindest in der Straße in der ich wohne und drum herum.
Immer wieder sieht man Menschen füttern, ich hätte am liebsten jeden umarmt und danke gesagt.
Fast ein wenig erleichtert denke ich, alles nicht so schlimm, aber ich soll schon am kommenden Tag eines besseren belehrt werden.
Am Abend des darauf folgenden Tages telefoniere ich in meinem Zimmer, Yura ist mit den drei Familien Hunden Jena, Jack und Julie spazieren.
Jena hat mich am ersten Tag schon versucht zu schnappen, trotzdem ist sie eine schöne und liebe Hündin, alle waren vorher auf der Straße.Jack kam schwer verletzt als Welpe zu Yura und Tanya, Jena wurde auf der Straße immer wieder angegriffen und auch die kleine zarte Julie scheint nicht die besten Erfahrungen gemacht zu haben.
Ich telefoniere in meinem Zimmer als ich Tanya in einer sonderbaren Stimmlage auf einen der Hunde beruhigend einreden höre, beende das Telefonat um zu sehen was los ist.
Jena liegt am Boden und blutet, ich frage ob sie mit einem anderen Hund gekämpft hat, Tanya schüttelt den Kopf und deutet mit den Händen einen Schuss an.
Ungläubig schaue ich auf die am Boden liegende Jena, sie liegt überrschend ruhig da und mir krampft der Magen zusammen.
Ein Tierarzt kommt noch am späten Abend, ich bin froh, aber muss schnell fest stellen, das er überhaupt keine Ahnung zu haben scheint.
Ohne Betäubung oder Desinfektion steckt er den Finger in die Wunde. Danach schneidet er Fell weg, gibt Jena eine Spritze mit Narkose Mittel.
Dann schneidet er die Wunde mit der Verbandsschere die er gerade für das Fell benutzt hat, weiter auf, eine Desinfektion gibt es weiterhin nicht.
Er nimmt er eine lange schmale Zange und geht gerade zwischen den Rippen durch. Ich erstarre, selbst mir ist bewusst, er muss in der Lunge sein,spätestens jetzt, wird die Prozedur Lebensgefährlich.
Ich unterbreche und bitte ihn nichts weiter zu tun.Überrascht schaut er mich an, hört aber zum Glück auf.
Er vernäht die Wunde wie er operiert hat, mehr schlecht als recht.
Als er geht kommt Yura wieder rein, er konnte nicht dabei sein sagt er, er kann es nicht ertragen wenn einer seiner Hunde schmerzen hat nicht, ich schaue ihn an und mir wird bewusst, wie sehr Yura seine Hunde liebt.
Die ganze Nacht überwache ich Jenas Atmung und die Farbe des Zahnfleisches in der Hoffnung zu erkennen ob sie gut mit Sauerstoff versorgt ist. Sie schläft lange, zu lange, ich mache mir Sorgen. War es zu viel Narkose Mittel ? Der Tierarzt hatte nicht gefragt wie schwer Jena ist.
Um 5 Uhr am Morgen, wacht sie endlich langsam auf, sie liegt bei mir am Bett und dämmert immer wieder weg aber ist endlich ansprechbar und die Lunge scheint frei zu sein, erschöft fallen mir die Augen zu und so schlafen wir beide noch 3 Stunden.
Jena hat ihre Verletzung überlebt, die Kugel blieb allerdings drin, sie sitzt nah an der Wirbelsäule und das Risiko bei dem Ausbildungsstand der Tierärzte für Jean wäre einfach zu hoch.
Wir mussten auch ungewöhnliche Wege gehen um ein Röntgen Bild zu bekommen, denn für Tiere gibt es diese zwar, allerdings so schlecht das man eigentlich nur raten kann.
Leider darf ich nicht mehr verraten, aber ganz legal war es wohl nicht.
Einmal mehr haben Yulia, Tanya und Yura gezeigt , das sie ihre Tiere lieben und bereit sind viel auf sich zu nehmen um sie zu schützen und medizinisch zu versorgen.
Zu viel ist bei diesem Besuch passiert um alles zu erzählen. Jena ,Jack,Julie, Yura, Tanya,Tatjana und unsere Yulia wollte ich euch aber unbedingt vorstellen.
Als ich nach Hause fliege, fließen Tränen auf beiden Seiten und eins steht fest, das nächste mal fliege ich nicht zu fremden, sondern zu Freunden.
Jasmin Staab, 1.Vorsitzende Verein Artgerecht Sozial
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